Der Berg ruft
Der Berg ruft
Sonntag, 8. Juni 2014
Eigentlich war ja etwas ganz anderes geplant. Ein Ausflug zu einem kleinen Platz mit Graspiste. NOTAMs geschaut, Wetter geprüft, Strich in die Karte gezeichnet. Dann noch schnell den PPR-Anruf. Keiner zuhause. Zumindest am Nachmittag nicht... Also die Alternative. Bei Marika angefragt, ob sie uns ein ELT borgen könnte und ob sie vielleicht zufällig ein LOIJ-Anflugblatt für uns hätte. Und dann geschwind einen neuen Strich in die Karte gezeichnet, die ROTAX-Pferde gefüttert und auf gehts in die sommerlichen Lüfte.
Und während wir langsam in Richtung Süden steigen, hier für alle Nur-Mitlese-Flieger eine kleine Kauderwelschverdeutschung. NOTAM sind Veröffentlichungen der Flugsicherung. Wo mal wieder ein neues Windrad gewachsen ist, wo gerade Kunstflug, Ballonaufstiege oder Militärmanöver stattfinden. ELT ist ein Notsender. Ist für Österreich vorgeschrieben. LOIJ ist die Abkürzung eines beliebten Reiseziels. Aber bis dahin ist es noch ein Stückchen.
Der Ausflugsdampfer bringt fleißig weitere Besucher nach Diessen. Wir drehen leicht nach Osten und steigen weiter. Halbkreisflugregel: Ostkurs bedeutet ungerade Zehner. Flugfläche 75 ist gerade richtig. Wir haben einen perfekten Überblick. Meine Lieblingsnavigatorine sucht einen Orientierungspunkt. Dunstige Luft verdirbt die Fernsicht ein wenig, aber das wird sich später bessern. Wir lassen den Tegern- und den Schliersee rechts liegen. Heute haben wir größeres im Sinne.
Auch den Wendelstein würdigen wir (fast) keines Blickes. Ist ja auch selbst schuld. Hätte er die Luft um sich herum ein wenig geputzt, wäre es eine ganz andere Geschichte geworden. So weltbewegend viele Wanderer haben den Weg in die Berge doch nicht gefunden. Seltsam, eigentlich ist doch Ausflugswetter.
Das Inntal. Hier entlang geht der Weg in den Süden. Bisher haben wir an dieser Eingangstür in die Berge immer halt gemacht. Aber wie im Märchen mit dem verbotenen Zimmer, heute ist die Neugier stärker. Hinter Kiefersfelden beginnt die Alpenrepublik. Schon seit Jahren ist der private Flugverkehr völlig unbürokratisch möglich, sogar für Ultraleichtflugzeuge. Die wirklich hohen Berge verbergen sich majestätisch hinter einer Dunstschicht.
Wir lassen dem Inn seinen Lauf und fliegen lieber nördlich der beiden Kaiser entlang. Nicht nur, damit meine Lieblingsreisebegleiterin besonders schöne Bilder machen kann.
Da liegen sie, die beiden. Der Zahme und der Wilde Kaiser. Zu unserem Reiseziel führen verschiedene Täler. Wenn nicht so ein Kaiserwetter wie heute ist, besteht die Flugplanungskunst darin zu wissen, welche Täler frei sind, und wo möglicherweise Nebel oder Wolken lauern. Über Angriffe von Wolpertingern auf tief fliegende Luftreisende hat man bisher nur wenig gehört.
Eine Route hätte zwischen den beiden Bergen hindurch geführt, aber da hätte ich bei den Fotos im Wege gesessen. Das kann ich aber, zum Beispiel beim Blick auf den Chiemsee genauso gut machen. Aber der ist eh erst später dran.
Fast könnte ich schwach werden und an dem Motto mit dem "Berge von unten" zweifeln. Ein wenig ruft er schon, der Berg. Gar zu zahm schaut aber auch dieser Kaiser nicht aus.
Noch ein wenig alpines Panorama. Die wirklichen Berge im Hintergrund schütteln die Köpfe, wie kann man nur solche Hügelchen so ausgiebig fotografieren? Die Lifte sind nicht in Betrieb, Touristen müssen sich die Wanderwege entlang quälen. Wir haben es besser! Berge von oben!
Hier haben wir endlich den Beweis, daß das mit den Bergen alles Schummel ist. Die Bauarbeiter haben nicht all den gelieferten Kies benötigt und einfach auf der Baustelle liegen gelassen. Stimmt es also doch, die Alpen wurden vom österreichischen Tourismiusverband gebaut, damit die deutschen Urlauber es nicht gar zu leicht haben, auf dem Weg ans Mittelmeer. Lassen wir die ganze Kaiserei rechts liegen und wenden uns nach Süden.
Der Platz ist in Sicht, aber die Platzrunde steht uns noch bevor. Und die ist hier schon recht eigenwillig. Die navigatorischen Herausforderungen sind gemeistert, also kann sich meine Lieblingsfotografin voll ihrem Vergnügen widmen. Arbeitsteilung halt. Meinereiner hat noch eine Kleinigkeit vor sich. Der Flugplatz St. Johann zwängt sich, samt seiner Platzrunde, in ein nicht gar zu breites Tal.
Wenn unser Skyranger nicht so klein wäre, würde die linke Tragflächenspitze bestimmt am Gelände schrammen. Wie das nur die größeren Flieger machen? Immerhin ist weniger Thermik als befürchtet, es holpert nur wenig. Kaiserwetter eben. Der Queranflug ist ein Halbkreis, wir drehen in den Endanflug.
Unser fliegendes Zweimannzelt bekommt ein Ruheplätzchen, wir einen Schattenplatz mit Bedienung. Und genießen die Pause.